Kapitel 1 

Stunde Null der deutschen Raumfahrt

Bis zum Ende des 2. Weltkriegs war Deutschland die „geheime Raketenmacht“. Visionäre wie Hermann Oberth legten in den zwanziger Jahren mit Büchern wie „Die Rakete in den Planetenräumen“ die theoretischen Grundlagen, die Ingenieure wie Wernher von Braun dann in die Realität umsetzten. Dabei spielten vor allem militärische Interessen eine Rolle, wie die Entwicklung der V-2 durch die Nationalsozialisten zeigt. 

Nach 1945 kommt es zu einer frühen Form des „Braindrain“ – als Russen und Amerikaner die gesamte Ingenieurselite aus dem besiegten Deutschland abziehen um sie für ihre eigenen Zwecke arbeiten zu lassen. So werden im Rahmen der „Operation Paperclip“ mehr als 100 deutsche Ingenieure nach Amerika überführt. Neben Wernher von Braun auch Kurt Debus, der spätere Direktor von Cape Kennedy, welcher auch für die Geschichte der OTRAG noch eine wichtige Rolle spielen wird.

In Deutschland versucht sich zeitgleich die Raumfahrt – oder das was noch von ihr übrig geblieben ist – zu berappeln. Dazu ist aber ein Bruch mit der Geschichte nötig, der allerdings nur halbherzig vollzogen wird. Zwar wechselt man aus dem Norden in den Süden – nach Peenemünde schlägt nun das Herz der Raumfahrt in Stuttgart und Baden-Württemberg, wo mit dem in der damaligen Bevölkerung stark umstritten Prüfstand in Lampoldshausen ein erster Pflock eingehauen wird. Doch personell bestehen Kontinuitäten weiter: Der Österreicher Theo Sänger, der die Stuttgarter Universität in den 50er Jahren zu einem Mekka der Raumfahrtbegeisterten macht, war im 3. Reich ein überzeugter Nazi: Seit 1932 Mitglied der NSDAP, entwickelte er für Hitler den „Silbervogel“, mit dem dieser Amerika bombardieren wollte. Nun, in den Nachkriegsjahren veröffentlicht er Bücher wie „Photonenantrieb für interplanetare und interstellare Raumfahrzeuge“. Über seine Vergangenheit sieht man großzügig hinweg . Warum auch sollte man hier penibler sein als der große amerikanische Bruder, der sämtliche deutsche Ingenieure der „Operation Paperclip“ in Windeseile reingewaschen und eingebürgert hatte. Um an Herrschaftswissen zu gelangen, scheint der Zweck die Mittel zu heiligen.

Wernher von Braun und Dr. Kurt Debus